25:00 Uhr in der Tundra
„Da oben wird es dann wirklich nicht mehr dunkel? Welches Klima haben wir da eigentlich? Wie heißt die Vegetationszone in Nordnorwegen? ... “ Dies sind nur ein paar der Fragen, die mir vor der Reise zum Nordkap aufkamen.
Alex, Tim, Enrico und ich brachen am frühen Abend des 07. Juni 2018 auf, zu einer Reise mit dem quasi nördlichstmöglichen Ziel in Europa: dem Nordkap. Wir fuhren mit dem Auto hoch; zu viert im Wechsel waren die knapp 2.800 km zwar qualvoll, aber absolut machbar. Nach 43 Stunden Fahrt mit Kleinbus und Fähre, vorbei an Rentieren und Elchen, quer durch die Vegetationszone der Taiga, kamen wir dann an: Die Insel Mageröya zeigte sich spätwinterlich, gehüllt in grauen Wolken mit Restschnee auf den höheren Lagen – herrlich!
Start gelungen, tolle Bedingungen
Obwohl wir gezeichnet waren von der wilden Fahrt bis ans „Ende der Welt“, ging es nach kurzer Pause gleich aufs Wasser: Revier erkunden und schauen, was geht, war das Ziel. Nach gut drei Stunden konnten wir dieses Ziel für „erreicht“ erklären. Fazit der ersten Ausfahrt: Köderfische (Seelachse) sind reichlich vorhanden und nach kurzer Suche gefunden, „Küchendorsche“ (60 – 80 cm) sind in Tiefen zwischen 40 und 60 Metern zu fangen. An der „100-Meter-Kante“ stehen die Dorsche ab 90 cm und sind auf dem Echolot gut als einzelne „Punkte“ zu erkennen.
Ab dem Zeitpunkt der Ankunft ging mir im Prinzip das Zeitgefühl verloren – es war tatsächlich rund um die Uhr taghell. Allein die häufig vorhandene Wolkendecke versperrte den Sonnenstrahlen den Weg. In den folgenden Tagen bestimmten das Wetter und die Gezeiten unseren Rhythmus. Wir sahen zu, dass wir mit auflaufendem Wasser und zwei Stunden nach Höchststand der Flut in den Booten saßen, bzw. bei günstigen Windverhältnissen. Mit dem Wetter hatten wir übrigens großes Glück – wir hatten nur zwei windbedingte „Ausfalltage“.
Offshore – Großfischrevier
Eben weil das Wetter es zuließ, fuhren wir bereits am Abend des zweiten Tages ein Plateau weit draußen vor der Küste an. Der etwa 40 Minütige Anfahrtsweg sollte sich bereits mit der ersten Drift gelohnt haben. Boot 1 (Tim und Enrico) hatte den Spot bereits gewechselt um die Dickdorsche zu suchen, als Alex einen vehementen Biss auf Gummifisch bekam. Er drillte konzentriert, ruhig und beinahe stoisch. Ich bemerkte: „Wenn Du so drillst, dann hängt da meist was dickes dran.“ Seine kurze, knappe Antwort: „Keine Ahnung, aber es ist schwer.“… es war dann DER 113 cm lange, über 17kg schwere Gefleckte Steinbeißer, der mit einem Jubelschrei meinerseits ins Boot gehievt wurde, dass mir schwindelig wurde. Der Wahnsinn nahm seinen Lauf.
Noch überglücklich und voller Adrenalin beschlossen wir zum Ende der verheißungsvollen Drift, Tim und Enrico zu folgen. Sie funkten uns durch, die „fetten Dorsche“ gefunden zu haben. Und die waren es ja, wegen der wir überhaupt aufs Offshore-Plateau gefahren waren. Enrico und Tim drillten bereits Meter-Dorsch Nummer drei und vier im Doppeldrill, als wir ankamen und stolz unseren Steinbeißer-Kracher zeigten. Nach ganz kurzem Austausch über die aktuelle Situation steuerte ich das Boot so, dass Alex und ich parallel in der Drift von Tim und Enrico standen. Der Seelachs am System schoss in die Tiefe. Unten angekommen stellte ich noch Tim lauthals die Frage: „Und hier stehen die ganz Dicken?!“
Das muss einer DER Fische meines Lebens gehört haben. Ich bekam den Biss, ließ ihn kurz gehen und setzte den
Anhieb, -fest! Der Fisch klebte zunächst bombenfest am Grund, nahm einige Meter Schnur und ließ sich dann, wenn auch sehr mühselig, hochpumpen. Nach gut 20 minütigem Drill zeigte sich ein Dorsch
von 143cm an der Oberfläche. Ihn ins Boot zu hieven verlangte Alex und mir einiges an Geschick ab. Unter dem Jubel des Nachbarbootes (eine polnische Reisegruppe wollte das Geschehen scheinbar
etwas genauer sehen) ging die Landung dann aber fast spielend flüssig. Nachdem wir den Dorsch schonend vermessen (nicht gewogen (!)) hatten, wurde er zurück gesetzt. Ein so großer Fisch sollte
die Chance bekommen, weiterhin für reichlich Nachwuchs zu sorgen und seine Gene zu verbreiten.
Zurück im Camp schauten wir spaßenshalber nach, wie lang der Weltrekord bei den Dorschen und gefleckten Steinbeißern ist. Beide Fische lagen nur 17cm unter ihrem jeweiligen Weltrekord. (Wir wissen natürlich, dass beim Rekord das Gewicht entscheidend ist.)
Der weitere Verlauf der Nacht brachte uns Vieren noch ein paar weitere gute Dorsche zwischen 80 und 110 cm. Während der anderen Ausfahrten auf die Offshore-Plateaus kamen folgende weitere Spitzendorsche: 125cm (Tim), 124cm (Simon), 120cm (Enrico).
Steinbeißer-Alarm vor der Haustür
Im flacheren Bereich, in unmittelbarer Hafennähe, versuchten wir es auf die schmackhaften Steinbeißer. Dabei suchten wir steinigen Untergrund in Tiefen zwischen 20 und 40 Metern auf. Sowohl Seitenarmmontagen als auch selbstbebaute Seewolf-Klopfer waren erfolgreich. Die großen Einzelhaken (6/0 – 10/0) wurden mit Fetzen von kleinen Köhlern garniert. Das fanden die Steinis scheinbar oberlecker. Unser selbst gesetztes Schonmaß betrug in etwa 55 cm. Nachdem wir eine Strecke mit über 20 Fischen pro Boot hinlegten, beschlossen wir in den folgenden Tagen das gezielte Steinbeißerangeln sein zu lassen. Wir wollten auf unsere Ausfuhrbegrenzung an Fisch achten!
Drillspaß im Flachwasser
…dann war da noch so eine Rückfahrt vom Offshore-Bereich, morgens um 03:30 Uhr: Die Nacht war eigentlich schon sehr erfolgreich mit diversen Dorschen der Meter-Marke und dicken Steinbeißern als Beifang. Wir sahen die „stechenden Möwen“, es müssen hunderte gewesen sein. „Komm, lass uns da mal kurz probieren“, war Alex Idee… Was folgte, war ein Light-Tackle-Spaß vom Feinsten! Über zwei Stunden lang war jeder Wurf ein Treffer. Auf 30 – 40 Meter jagten die Dorsche und Seelachse kleine Lodden. Auf unsere 16 cm langen Gummifische an 30g-Köpfchen fingen wir Dorsche bis 100 cm, der Durchschnitt dürfte bei 70+ cm gelegen haben. Dazu gesellten sich ein paar Seelachse um die 60 cm. Aufgrund der geringen Wassertiefe konnten wir jeden einzelnen Fisch bedenkenlos releasen. Nach den zwei Stunden mussten wir uns fast zwingen aufzuhören. Wir fuhren für eine „kurze Pause“ rein um zu schlafen.
Die erste Woche war vorbei, wir hatten unsere Menge an Fisch, den wir mit nach Hause nehmen wollten, fast zusammen. Da fortan das Zurücksetzen der Fische noch vordergründiger verfolgt werden sollte, beschlossen wir nicht mehr ins tiefe Wasser zu fahren. Wir hatten ja ohnehin unsere „Dorschwiese“ gefunden. Der Bereich war zwischen 30 und 40 Meter tief und wies sandigen Mischgrund auf. Neben Dorschen bis 120cm gingen dort auch immer wieder Steinbeißer bis 86cm und Seelachse bis 60cm an die Haken.
Ein ganz besonderes Highlight war ein Doppeldrill der Extraklasse: Ich lehnte mich gerade ein wenig zurück, ließ den Gummifisch 2 Meter über dem Grund „hängen“ und beobachtete verträumt das Echolot. Plötzlich schoss eine Sichel vom Grund hoch zu meinem Köder, ich blickte auf meine Rutenspitze, die sich gen Wasseroberfläche neigte. Noch bevor ich den Tock in der Rute spürte, setzte ich den Anhieb. Was folgte war zunächst die Musik der Bremse meiner Twin Power. Ich ließ den Fisch zunächst ca. 15 Meter gehen. „Butt!“ sagte ich stolz und laut zu Alex. In dem Augenblick, als er seinen Köder hochholen wollte, um sich auf meinen Fisch zu konzentrieren, bekam auch er einen guten Fisch ans Band. Während er seinen 86 cm Steinbeißer in etwa 10 Minuten ausdrillte, musste ich mich gut 25 Minuten gedulden, bis ich den Butt zu Gesicht bekam. Der Haken saß gut, das Gaff wurde gekonnt-beherzt gesetzt, die Landung war kein Problem. Ein Riesendank an dieser Stelle an Alex! – das war echtes Teamwork! Der Butt maß 115cm und wog 16,5kg.
An diesem Angeltag, der sich über gut 5 Stunden erstreckte, gab es übrigens keinen Wurf ohne Fisch. Weder bei Alex, noch bei mir. Es kamen neben dem Traum-Doppeldrill noch zwei Dorsche von exakt einem Meter sowie einer von 120cm ins Boot. Dazu gab es den üblichen Mix aus 80+ Dorschen, Steinbeißern und kleineren Seelachsen. Und das alles am 120 / 150 Gramm-Geschirr mit 18 – 24 cm langen Gummifischen.
„Buttje Buttje inne See“
Vom Fang des 115er Butts angestachelt sollte es in den kommenden Tagen und für den Rest des Urlaubs forciert auf den „König der Meere“ gehen. Tim zeigte bei der Suche nach den Großen sein besonderes Gespür: Er fing gleich beim ersten gezielten Versuch drei Butts in nur zwei Stunden. Dabei maß der Größte 1,81m und wog um die 90kg. – Wahnsinn! Der Drill und die Landung des Fisches waren abenteuerlich. Tim war bereits über 15 Minuten im Drill, als Alex und ich das Gehupe und Gewinke der Beiden als „Hilferufe“ wahrnahmen. Wir stellten das Angeln ein und rasten mit Vollgas zum Boot 1. Die Harpune war bereits sicher in der Schwanzwurzel gesetzt – Enrico stellte dabei sein Naturtalent unter Beweis. Wir konnten filmen, wie die Buttdame das zweite Mal an die Oberfläche kam und Tim das Flying Gaff ins Maul setzte – Jubel! Der Fisch war gesichert – Denkste! Beim Versuch den Butt ins Boot zu ziehen, riss das Seil des Flying Gaffs. Der Fisch tauchte erneut ab. Gedankenschnell fuhr ich unser Boot 2 so dicht hinter Boot 1, dass Alex unser Flying Gaff samt Boje und ausreichend starkem Seil übergeben konnte. Als der Riesenbutt das dritte Mal ans Boot gedrillt wurde, konnte er sicher von Tim gegafft und unter vier lauten Schreien der Freude und Erleichterung ins Boot gezogen werden – was für ein geiles Erlebnis!
Die gezielte Angelei auf Heilbutt ist immer etwas Besonderes. Geduld mag dabei die größte Tugend sein. Wir angelten mit Naturködern in Tiefen zwischen 30 und 40 Metern. Dabei war eine mäßige Drift von 1,5 bis 3 km/h scheinbar ideal. In den folgenden Tagen kamen weitere Heilbutts in die Boote: 1,62m / 65kg & 0,93m / 10kg (Enrico), 1,34m / 36kg (Simon), 0,85m (Tim) all diese Fische wurden released!
Dann waren da noch Alex und mein Ehrgeiz, ihn als „sein Captain“ an den Butt zu bringen… Wir trieben ideal in einer Tiefe von gut 30 Metern zwischen zwei Erhebungen des Meeresbodens hindurch, ich plante bereits die nächste Drift und gab das Kommando „hol hoch“. Ein prüfender Blick aufs Echolot: „Stopp! Du hast 'nen Nachläufer!“ – Alex stoppte seinen Köder, der Nachläufer stoppte auch. Über gefühlt gut fünf Minuten „spielten“ wir mit dem vermeindlichen Heilbutt herum. Ich behielt das Echolot im Blick und konnte Fisch und Köder genau verfolgen und Alex so die nötigen Informationen zukommen lassen. Plötzlich war das Fischecho weg. „Lass noch einmal bis zum Grund runter und hol dann ganz langsam hoch!“ Mein Blick war konzentriert auf die Rutenspitze von Alex gerichtet, nach gut sechs Metern über dem Grund neigt sich die Rute gen Wasseroberfläche, Alex verzögerte den Anhieb perfekt und begann zu drillen – hoch kam auch endlich Alex' Butt! Ein gut 87cm langer Fisch, der nach kurzer Fotosession zurück in die Barentssee gelassen wurde.
Bei der letzten Ausfahrt unseres Abenteuerurlaubs gelang dem Großfischjäger Tim noch die Landung einer Buttdame von 1,73m. Auch sie darf weiterhin für viel Nachwuchs sorgen. Ich beendete meinen Norwegentrip traditionell nach dem Motto „Letzter Wurf, letzter Fisch“ mit einem gut 80cm langen und 7,5kg schweren Steinbeißer. Dieser kam als gerngesehener Beifang bei der Buttangelei.
Fazit: Es war für uns Vier ein verdammt geiler Trip in den nördlichsten Norden des europäischen Festlandes. Wir hatten jede Menge Spaß und können nun von uns behaupten: Wir waren da, wo der Wettergott wohnt und wo Petrus den Großfisch beherbergt. Das Gebiet um das Nordkap hat uns nicht das letzte Mal gesehen!
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